Ein Interview mit dem charismatischen Guru und Meister des Sheng Fui.
Auf der Skepkon 2015 in Frankfurt berichtete der Satireguru Lorenz Meyer in einem Vortrag über seine Erfahrungen als selbsternannter Heilsbringer und Sheng-Fui-Meister. Am Rande der Konferenz führte ich mit der schillernden Social-Media-Lichtgestalt ein exklusives Interview.
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Herr Meyer, Sie bezeichnen sich als Guru. Von dem, was ein Guru treibt, haben wir alle eine ungefähre Ahnung. Was ist in Ihrem Fall darunter zu verstehen?
L.M.
Vorsicht: Ihre Fragestellung weist Schadenergien auf. Ich bezeichne mich keineswegs als Guru, sondern als charismatischen Guru! Lorenz Meyer ist eine Lichtgestalt, die vor allen Dingen auf Facebook leuchtet und dort täglich die fernöstliche Leere verkündet. Eine Leere, die bei uns aus gutem Grund nicht mit “eh”, sondern mit doppeltem „e“ geschrieben wird. Was übrigens immer wieder zu Irritationen bei Sinnsuchern und Sinnsucherinnen führt, die darauf tippen, dass ich mich vertippt hätte.
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Viele nennen Sie auch einen, nein den einzigen „Meister des Sheng Fui“. Was darf man sich unter dieser Bezeichnung vorstellen?
L.M.
Sheng Fui ist eine alte Harmonielehre und Erfahrungswissenschaft, mit deren Hilfe die Leute bereits vor tausenden Jahren ihre Wohnungen eingerichtet haben. Leider werden wir immer wieder von Parodisten in ein schlechtes Licht gerückt, die sich mit ihrem „Feng Shui“ über uns lustig machen wollen. Außerdem haben diese windigen Feng-Shui-Geschäftemacher gemerkt, dass sich mit ein paar von uns geklauten Weisheiten und uminterpretierten Tipps gut Kasse machen lässt. So wurden in den letzten Jahren ganze Einrichtungsbücher, Schöner-Wohnen-Schriften und Garten-Schwarten über den Feng-Shui-Irrsinn zusammengeschustert und unters Volk gebracht. Und die bedauernswerten Käufer dieser Mogelpackungen ahnen gar nicht, welchem Betrug sie dabei aufsitzen.
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Wenn ich an „Feng Shui“ denke, dann kommt mir das Umgruppieren von Möbeln in den Sinn, bei dem ich zum Beispiel den „Glücklich-sein-Stuhl“ in die richtige Ecke stelle. Ist das beim „Sheng Fui“ ähnlich oder handelt es sich um eine ganz andere Lehre?
L.M.
Genau richtig, aber auch völlig falsch! In der Irrlehre „Feng Shui“ gibt es bestimmte Ecken wie zum Beispiel die Wohlstandsecke. Beim Original Sheng Fui gibt es jedoch vier Wohlstandsecken! Diese findet man meist in stark frequentierten Eckkneipen.
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Wie wird man eigentlich Guru? Folgt das Ganze einem staatlich anerkannten Ausbildungsgang oder ist es die Folge eines Ereignisses, zum Beispiel dem Sturz von der Haushaltsleiter?
L.M.
Irgendwann ereilt einen der Ruf der Inkarnation und dann erfolgt eine komplizierte Phase der Meisterwerdung, an deren Ende man sich selbst zum Meister ausruft. Abgesehen davon wollte ich nie Haushaltsleiter werden, sondern Sektenleiter!
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Was macht eigentlich ein charismatischer Guru privat?
L.M.
Privat besichtige ich am liebsten meine ausgedehnten Basmatitee-Plantagen oder spaziere in den Hochlanden des Himalayagebirges. Außerdem bin ich oft auf Auslandsreisen und kontrolliere unsere Fertigungsstätten der Original handbehämmerten Venus-Klangschale nach Lorenz Meyer. Zwischendurch beantworte ich Anfragen von Jüngern und Jüngerinnen, betreibe im Internet den einzigen Schweige-Chat oder studiere meine Kontoauszüge. Eine direkte Trennung von privat und geschäftlich gibt es also nicht. Ich bin also immer im Dienst. Sogar, wenn ich nicht im Dienst bin!
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Gibt es ganz besondere Highlights in Ihrem Dasein als Guru?
L.M.
Ein besonderes Glücksgefühl durchströmt den charismatischen Guru (das bin ich), wenn Weisheiten unserer spirituellen Leitfigur, Tse Tang der Ältere, in die weite Welt getragen werden. Zum Beispiel Spruchweisheiten wie „Lebe jeden Tag, als ob es ein anderer wäre“ oder „Egal, wo man hingeht, da ist man dann.“.
Dass teilweise renommierte Firmen Gefallen an diesen Weisheiten finden und sie auf ihren Internetseiten zwischen Seneca und Konfuzius aufreihen, erfüllt nicht nur mein Herz mit Glück, sondern stärkt auch meine Lach-Chakren.
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Sie haben eine große Gefolgschaft, sowohl im Internet, als auch im wahren Leben. Als was bezeichnen Sie ihre Gefolgschaft?
L.M.
Ich bezeichne sie als Opfer meiner täglichen Gehirnwäsche, sie selbst bezeichnen sich als Jüngerinnen und Jünger… Diesen Status kann grundsätzlich jeder erlangen. Eine Freundschaftsanfrage bei Lorenz Meyer auf Facebook genügt und man ist in die erlauchte Tempelgemeinde aufgenommen! Für Neuankömmlinge gibt es derzeit attraktive Einstiegsprämien, wie zum Beispiel 250 Gramm Karma, geschnitten oder am Stück.
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Muss man irgendetwas beachten, um Jünger oder Jüngerin zu werden?
L.M.
Der entsprechende Kandidat sollte mir zunächst demutsvoll eine Freundschaftsanfrage auf Facebook zuchanneln. Nach einer aufwändigen Prüfung, die sich bis zu einer Minute hinziehen kann, wird die Freundschaft aktiviert und aus dem Adepten wird der offiziell bestätigte Jünger.
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Kommen wir zur Geschlechterverteilung. Gibt es in ihrer Gefolgschaft mehr Jünger oder mehr Jüngerinnen?
L.M.
Diese Frage habe ich tatsächlich mal mit Hilfe der Facebook-Statistik geklärt. Man könnte annehmen, dass die Jüngerinnen überwiegen, weil diese überproportional viel kommentieren bzw. Katzenfotos in den Kommentaren hinterlassen… Tatsächlich verhält es sich aber so, dass es sich ungefähr die Waage hält. Wir haben ungefähr 49 Komma irgendwas Prozent Männer, 49 Komma irgendwas Frauen und der Rest ist hinsichtlich des Geschlechts noch unentschieden.
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Wie nehmen Aspiranten auf einen der begehrten Facebook-Tempelplätze mit ihnen Kontakt auf? Soll man sie anschreiben oder vorsichtig auf Facebook anstupsen?
L.M.
Ein Anstupsen verbitte ich mir, das Schicksal hat mir bereits genügend Stupser verpasst. Man kann mich einfach hinzufügen oder anschreiben. Zudem habe ich ein offenes Profil. Man kann also dem charismatischen Guru auf Facebook vollkommen risikolos folgen und alle seine Beiträge lesen. Natürlich sollte man nach einer gewissen Zeit dieses Vorstadium verlassen, sich ein Herz nehmen – vielleicht sogar das eigene – und eine Freundschaftsanfrage stellen.
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Aus welchen Teilen der Welt bekommen Sie Anfragen? Eher aus dem asiatischen Raum, wegen der Nähe zur fernöstliche Leere oder aus anderen Teilen der Erde?
L.M.
Die meisten Freundschaftsanfragen kommen aus dem deutschsprachigen Raum. Die meisten Heiratsanfragen kommen jedoch vom afrikanischen Kontinent. Dort muss ich als charismatischer Guru eine ganz besondere Strahlkraft auf das weibliche Geschlecht ausüben. Von dort kommen jedenfalls die meisten Angebote bei denen die Damen mir nicht nur sich selbst in Aussicht stellen, sondern auch Erbschaften, Hinterlassenschaften von Diktatoren oder Beteiligungen an Ölfeldern und Goldminen anbieten.
Aus Transparenzgründen veröffentliche ich diese Anfragen und meine Antwort stets auf meiner Facebook-Pinnwand. Leider hat auch die 83.te dieser Anfragen nicht zum Ziel geführt. Was vielleicht daran liegen mag, dass die meisten Damen es auf meinen Körper abgesehen haben. Ich bin jedoch kein Guru für eine Nacht!
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In Ihrem Alter muss es Sie sehr mitnehmen, immer noch nicht die Frau Guru fürs Leben gefunden zu haben. Wie gehen Sie mit all dem Schmerz um?
L.M.
Normalerweise würde ich sagen: „Ein Guru ist auch nur ein Mensch“, aber das stimmt nicht, weil ich eben kein gewöhnlicher Mensch, sondern Guru bin. Insofern betrachte ich es als Selbstverständlichkeit, dass man mich verehrt und mir huldigt, mir aber weitere Sinnesfreuden versagt bleiben.
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Was ist bei ihnen das absolut NoGo, was man sich als Jünger oder Jüngerin nicht erlauben sollte und damit sogar die Freundschaft in Gefahr bringt?
L.M.
Ich will stets mit Ernst und Respekt behandelt werden und mag es gar nicht, wenn in den Kommentaren Ironie durchschimmert. So kommt es vor, dass ich meiner Seele Luft mache und öffentlich private Sorgen teile. Zum Beispiel, wenn mein Butterbrot mit Schnittlauch runter gefallen ist. Das geht dann direkt an mein Innerstes, statt in mein Innerstes, wo es eigentlich hingehört. (Also das Butterbrot…)
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Eine andere Frage: Mögen Sie eigentlich Katzen?
L.M.
Sie spielen da auf eine Unsitte des Internets an: Die allseits vorhandenen Katzenfotos, die nach neuesten Statistiken etwa drölfzig Prozent des Internet-Traffics verursachen. Aus mir nicht bekannten Gründen bin ich oft das Ziel von Katzenfoto-Vandalen, die mit ihren digitalen Hinterlassenschaften meine Pinnwand entweihen. Ein Vandalismus, der mich nicht nur bedrückt, sondern auch in meiner Arbeit behindert, denn ich muss die Beweisstücke stets dokumentieren, bevor ich sie an die Strafverfolgungsbehörden weiterleite.
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Wenn man Sie auf Facebook etwas verfolgt, merkt man: Sie sind ein Freund des Kärglichen, Sie haben ein kärgliches Schlafzimmer und ein kärgliches Arbeitszimmer. Spielen Sie den Leuten die Askese vor, oder leben Sie wirklich so?
L.M.
Ich habe eine Vorbildfunktion und trage Verantwortung über die vielen Mitgliedsbeiträge die ich von den Konten der Jünger und Jüngerinnen ohne ihr Wissen einziehe. Natürlich parkt man da den Rolls Royce lieber um die Ecke und bezeichnet sein Schlafgemach mit Whirlpool und vergoldetem Badewannenlifter lieber als „kärgliche Schlafstätte“.
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Vieles an Ihnen erscheint außerirdisch. Haben Sie eigentlich einen besonderen Draht zum Kosmos?
L.M.
In der Tat, denn ich betreibe die einzige, offiziell zertifizierte Bestellannahme des Universums und bin Vertragspartner des Kosmos. Im Gegensatz zu vielen unseriösen Bestellannahmen, gibt es bei uns eine über eine https-Verbindung gesicherte Verbindung. Wir haben ein Callcenter, das die Wünsche an das Universum abwickelt. Wir bieten kostenfreien Versand und wickeln mit unseren Logistikpartnern auch Großbestellungen ab oder erfüllen Sonderwünsche. Bei Partnerwünschen verklappen wir den jeweiligen Menschen zum Beispiel per Last-Rikscha an der Zieladresse.
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Gibt es eine Entwicklung in der Gesellschaft, die Ihnen Sorge bereitet.
L.M.
Ja, derer gibt es viele. Vor allem das vermehrte Auftreten von Quacksalbern, Scharlatanen und Homöopathen und die damit einhergehende Globulisierung des Abendlandes.
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Zum Schluss des Interviews meine letzte Frage: Meines Sie das eigentlich alles Ernst?
L.M.
Sie erwarten jetzt sicherlich ein Ja auf Ihre Frage. Ich muss Sie jedoch enttäuschen: Ich meine es Ernst.
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Herr Meyer bzw. lieber Guru, vielen Dank für das Gespräch.
Herzlichen Dank an Lorenz Meyer für die Unterstützung und die kostbare Zeit.
[…] wenden wir uns lieber einem Interview zu, das der charismatische Guru am Rande der Skepkon 2015 gab, und zwar dem Blog der […]